Liebe Mitpilger,
Rainer hat uns ein Insektenhotel gebaut. Ich kann sehr gut erkennen, mit welcher Hingabe und Leidenschaft er am Werk gewesen ist. Er hat nicht einfach etwas zusammengeschustert. Viel mehr ist unter seinen Händen mit Herzblut und Einfühlungsvermögen ein wirkliches Zuhause entstanden. Ich kann spüren, dass er zum Eichenholz, zu den Tannenzapfen und den anderen Materialien eine Beziehung aufgenommen hat. So ist das Insektenhotel bereits beseelt und erwartet in Vorfreude Hummeln, Käfer und andere Gäste. Es gefällt mir ganz ausgezeichnet. Wir nehmen an dieser Vorfreude Teil und haben im Garten den richtigen Standort ausgewählt, um den Insekten ihr wohliges Zuhause zu präsentieren.
Dabei ist mir wieder neu bewusst geworden, dass jedes Lebewesen nach Geborgenheit und Schutz sucht. Darin sind wir alle gleich. Deshalb werden Höhlen in die Erde gegraben, Löcher gebuddelt oder Bäume ausgehöhlt. Nester werden angelegt oder von uns Menschen Zelte errichtet und Häuser gebaut.
Wir brauchen eine Zufluchtsstätte, einen Ort, an dem wir in Frieden sein können. Wenn wir das nicht haben, nimmt unsre Seele Schaden. Deshalb gehört es zu den vornehmsten Aufgaben von uns Menschen einander Nestwärme zu schenken. Dann können wir Wohnung nehmen im anderen und einander Heimat sein.
Allerdings besteht manchmal die Gefahr, dass wir zu sehr festhalten und den anderen gefangen nehmen, weil die eigene Sehnsucht nach Geborgenheit so groß ist. Das nehme ich immer wieder wahr in Partnerbeziehungen oder zwischen Eltern und Kindern. Damit das nicht geschieht zeigt uns Jesus einen wunderbaren Weg.
Er selbst hat Ablehnung erfahren und wurde immer wieder abgewiesen. Er war mit Obdachlosigkeit vertraut und musste als kleines Kind mit seiner Familie nach Ägypten fliehen. So sagt er an einer Stelle: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Lk 9, 58.
In diesen Worten steckt eine Aufforderung. Jeder Mensch ist dazu berufen Gott selbst eine liebevolle Herberge zu sein. Ist Jesus in unserem Herzen zuhause, dann ist es so weit und rein und klar, dass wir unsere Mitmenschen beherbergen können, ohne sie festzuhalten. Weil Jesus im Vater zuhause war, konnte er die ganze Welt in seinem Herzen wohnen lassen. So geschieht Heilung.
Daran wollte ich heute ganz sachte erinnern. Denn so richtig es ist, die Augen vor den Herausforderungen nicht zu schließen, wenn Menschen an unseren Grenzen um Schutz und Geborgenheit bitten, so wichtig bleibt es, sein Herz aus Angst vor Überforderung nicht zu verschließen.
Üben wir miteinander Nestwärme zu schenken und bitten wir Christus um die Weite seines Herzens, damit wir ihn in unseren Schwestern und Brüdern entdecken und einander zur Herberge werden.
Ich möchte Dir danken, Rainer, für dein Gleichnis vom Insektenhotel! Dass unser Garten von der Vielfalt unserer Gäste auch noch profitiert und ihn fruchtbarer macht, ist eine besondere Zugabe.
Mit frohem Gruß Euer Mitpilger