Grüß Euch Gott,
Leben ist lebendig. Das weiß jedes Kind. Aber oft ist den Menschen diese Erkenntnis nicht bewusst. Sie wird verdrängt, weil sie als Veränderung und Alterung gedeutet wird. Davor haben viele Menschen Angst. Dem Blick in den Spiegel folgt dann ein Aufhübschen, das diesem Verfall ein verbessertes Angesicht geben soll. Eine ganze Industrie lebt von diesem Verdrängungsprozess. Eigentlich verleugnen wir damit das Leben und übermalen die Spuren des Lebens aus unserem Antlitz. Wer die Dynamik des Lebens begrenzen möchte muss wissen, dass er damit das Leben beschneidet und verwundet. In den sogenannten Schönheitsoperationen wird das umgesetzt. Die eigene Vergangenheit wird teilweise ausgelöscht. Wer das Leben anhalten möchte, will in letzter Konsequenz den Stillstand des Lebens. Doch dies ist der Tod, und der wird fassbar in der Erstarrung. Man würde das Leben vergewaltigen, wenn man es festhalten würde. Wir dürfen nicht nach dem Leben greifen und nicht versuchen es zu fassen. Sonst stirbt es in unseren Händen.
Glück und Liebe sind nur andere Worte für das volle Leben, die wunderbar gedeihen, wenn man sich ihnen einfach anvertraut und der ursprünglichen Strömung überlässt.
Der Karfreitag beschreibt sehr klar den Tod des Lebens, wenn es festgenagelt wird. Doch es regeneriert sich von selbst und beginnt erneut zu fließen: Ostern. Wir können uns entscheiden in welche Richtung wir unsere Kraft einsetzen. Wir können unser Leben vergeuden, indem wir versuchen es zu regulieren und zu kanalisieren. Oder wir überlassen uns einfach dem Strom der Liebe und genießen das Leben, bis wir ins Meer eintauchen.
Aus der Quelle des Vertrauens wird aus Veränderung Verwandlung. Und das ist das Salz in der Suppe. Die Quelle der Angst wird bei diesem Gedanken verrückt. Sie gleicht einer Autoimmunerkrankung. Sie kämpft gegen die Wandlung an und zerstört somit das Leben und sich selbst.
Am Karfreitag hat die Menschheit gegen sich selbst und die Liebe gekämpft, und das Leben, Jesus den Menschen, getötet. Sie hat eigentlich kollektiven Suizid begangen. Die Tragödie des Karfreitag spielt sich also nicht nur am Kreuz ab, sondern auch unter dem Kreuz. Für einen Moment ist die Angst verstummt, weil scheinbar Sicherheit hergestellt worden ist und das Leben angehalten wurde. Die Menschheit hat nicht begriffen, dass dieses Verstummen Grabesruhe für sie bedeutet: Karsamstag.
Doch Gott sei es gedankt, dass das Leben nicht ruht, auch wenn wir davon nichts mitbekommen. Es hat seine Kräfte gesammelt und sprudelt am Sonntagmorgen klar und rein aus der ewigen Quelle der Liebe neu hervor. Das alles ist geschehen, damit die Angst der Menschen in Vertrauen verwandelt werden kann. Ostern ist somit eine wunderbare Einladung, dem Leben sein Vertrauen zu schenken und Liebe zu säen. Diese totale Hingabe verheißt totales Leben. Denn Leben ist unvergänglich. Es ändert immer nur seine Form.
Die Religionen haben einen besonderen Sensus für die Heiligkeit des Lebens. Aber anstelle das Leben zu feiern, fordert sie die Heiligkeit zu schützen. Dieser Impuls kommt jedoch aus der Quelle der Angst. Sie fordert das Leben in Gesetze, Normen und Dogmen zu fassen, um ihre Reinheit zu überwachen. So wird aus der Liebe und dem Leben Institution und Macht. Das Leben selbst wird an die Seite gedrückt – Jesus wird außerhalb der Stadtmauer gekreuzigt – und eine Form des Lebens in den Mittelpunkt gerückt – der Tempel und das Paschafest. Religion ist ver-rückt. Besonders deutlich wird dies im katholischen Christentum wenn an Fronleichnam – lebendiger Leib des Herrn – zum Schluss die geweihte Hostie wieder weggeschlossen wird. Das Leben wird eingesperrt, um es zu schützen. Es ist eine Tragödie.
Lebendiger Glaube kümmert sich nicht um Dogmen und Gesetze. Er feiert das Leben, wie es ist und bringt Liebe in die Welt. Genau das hat Jesus getan und damit die Religion seiner Zeit provoziert. Sie sah sich im Namen der Heiligkeit des Lebens herausgefordert, diesem sündigen Treiben ein Ende zu setzen und hat Jesus getötet. Eigentlich hat uns Jesus von allen Religionen befreit und damit den Blick auf den lebendigen Gott frei gemacht; den Gott, der das Leben und die Liebe in Person ist.
Der Vorhang ist zerrissen. Damit sind wir erlöst, weil alle Ängste verwandelt sind. Das Böse hat keinen Angriffspunkt mehr: Frieden ist geworden, österlicher Friede.
Mit frohem Gruß
Euer Mitpilger Volker